von Manuel von Heugel
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Schuldenbremse - man kann nur sparen, wenn man Geld ausgibt

Die Schuldenbremse – ein zentrales Anliegen unseres derzeitigen Finanzministers Christian Lindner. Doch ist die 2009 beschlossene Regelung noch zeitgemäß? In einer Ära, in der unsere Infrastruktur zunehmend verfällt, stellt sich die Frage, ob das viel zitierte Argument der ‘Generationengerechtigkeit’ noch Bestand hat. Sina und Manuel gehen diesem Thema im aktuellen Podcast auf den Grund und beleuchten und diskutieren Vor- und Nachteile sowie mögliche Alternativen.

Glasbehälter mit Münzen als Inhalt steht auf einem Brett mit Natur im Hintergrund

Die Geschichte der Schuldenbremse

Das Konzept der Schuldenbremse stammt ursprünglich aus der Schweiz, wo sie 2001 eingeführt wurde. In Deutschland wurde die Schuldenbremse als Reaktion auf die Finanzkrise 2008/2009 entwickelt und am 1. August 2009 im Grundgesetz verankert. Die Änderungen in Artikel 109 und 115 des Grundgesetzes legen die Rahmenbedingungen für die Haushaltsdisziplin von Bund und Ländern fest

Die wesentlichen Elemente der Schuldenbremse

Für den Bund gilt seit 2016, dass das strukturelle Defizit maximal 0,35% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen darf. Die Länder dürfen ab 2020 grundsätzlich keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Ausnahmen sind für außergewöhnliche Notsituationen, schwere Rezessionen und Naturkatastrophen vorgesehen.

Die Ausnahmesituationen lauten wie folgt:

  • Naturkatastrophen: Ereignisse wie Überschwemmungen, Erdbeben oder andere extreme Naturereignisse, die erhebliche finanzielle Mittel erfordern, um die Folgen zu bewältigen.
  • Schwere Rezessionen: Wirtschaftliche Abschwünge, die das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erheblich beeinflussen und eine erhöhte Staatsverschuldung notwendig machen, um die Wirtschaft zu stabilisieren und die negativen Effekte abzufedern.
  • Außergewöhnliche Notsituationen: Unvorhersehbare und außergewöhnliche Ereignisse, die eine erhebliche finanzielle Belastung für den Staat darstellen und keine andere Lösung zulassen, als durch eine erhöhte Kreditaufnahme zu reagieren.

Der Stabilitätsrat überwacht die Einhaltung dieser Regelungen und erstellt jährliche Berichte zur Haushaltslage von Bund und Ländern

Ausnahmen und Flexibilität

Die Schuldenbremse enthält Flexibilitätsklauseln, die konjunkturelle Schwankungen berücksichtigen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten erlaubt sie eine erhöhte Nettokreditaufnahme, während sie in wirtschaftlich guten Zeiten die Kreditaufnahme begrenzt. Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass die öffentliche Verschuldung langfristig nachhaltig bleibt.

Kritik und Herausforderungen

Kritiker bemängeln, dass die Schuldenbremse Investitionen in wichtige Bereiche wie Bildung und Infrastruktur hemmt und die fiskalpolitische Flexibilität einschränkt. Die Coronakrise hat die Diskussion über mögliche Reformen der Schuldenbremse weiter angefacht, da erhebliche Staatsausgaben erforderlich waren, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern.

Aktuelle Entwicklungen und Zukunftsperspektiven

Es gibt anhaltende Debatten darüber, wie die Schuldenbremse angepasst werden könnte, um notwendige Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz zu ermöglichen, ohne die langfristige Haushaltsdisziplin zu gefährden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und die Notwendigkeit, in eine nachhaltige Zukunft zu investieren, haben die Notwendigkeit einer Reform der Schuldenbremse deutlicher gemacht.

Internationale Perspektiven

Ähnliche fiskalische Regelungen existieren in vielen anderen Ländern, wie beispielsweise im EU-Fiskalpakt. Diese internationalen Ansätze variieren je nach nationaler Finanzpolitik und wirtschaftlicher Lage, bieten jedoch wertvolle Vergleichspunkte für die Diskussion über die zukünftige Ausgestaltung der deutschen Schuldenbremse

Kurz zusammengefasst

Die Schuldenbremse wurde in Deutschland 2009 als Reaktion auf die Finanzkrise im Grundgesetz verankert, um die Haushaltsdisziplin zu stärken und die strukturelle Verschuldung abzubauen. Sie begrenzt das strukturelle Defizit des Bundes auf maximal 0,35 % des BIP und verbietet den Ländern ab 2020 grundsätzlich die Aufnahme neuer Schulden, außer in Ausnahmesituationen wie Naturkatastrophen, schweren Rezessionen oder außergewöhnlichen Notsituationen. Die Einhaltung der Regeln wird vom Stabilitätsrat überwacht, wobei Flexibilitätsklauseln konjunkturelle Schwankungen berücksichtigen.

Verpasste Investitionen - 600 Milliarden Euro Investitionsbedarf

Das schreibt der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft und beruft sich auf Berechnungen des IW und dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Deutschland benötigt in den nächsten zehn Jahren Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Euro, um die Infrastruktur zu modernisieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Finanzierungsoptionen und Schuldenbremse

Der jährliche Investitionsbedarf von 60 Milliarden Euro entspricht etwa 1,4 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP), während die Schuldenbremse nur eine jährliche Neuverschuldung von 0,35 Prozent erlaubt. Eine Reform der Schuldenbremse könnte erforderlich sein, um die notwendigen Mittel bereitzustellen. Alternativ werden Modelle wie ein Infrastrukturfonds oder eine „Goldene Regel“ diskutiert, die es dem Staat erlauben würden, Kredite im Umfang der Investitionen aufzunehmen. Ein Planungsbeschleunigungsgesetz könnte sicherstellen, dass die Mittel effizient und zeitnah eingesetzt werden.

Grafik zu den nötigen öffentlichen Investitionen für Deutschland
Grafik von: iwd - Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft

Christian Lindner zur Schuldenbremse:

1. Vertrauen und Verfassungsmäßigkeit:

Lindner betont, dass die Schuldenbremse nicht nur verfassungsrechtlich vorgeschrieben, sondern auch ökonomisch dringend geboten ist. Sie schafft Vertrauen bei internationalen Finanzmärkten und signalisiert verantwortungsvolle Finanzpolitik. Die Rückkehr zur Schuldenbremse sei essenziell, um fiskalische Stabilität und Glaubwürdigkeit zu bewahren (Quelle).

2. Politik auf Pump verhindern:

Lindner argumentiert, dass Deutschland nicht dauerhaft „Politik auf Pump“ machen könne. Schuldenfinanzierte Staatsausgaben würden die Inflation anheizen und langfristig wirtschaftlich schädlich sein. Daher sei die Schuldenbremse notwendig, um finanziellen Spielraum für zukünftige Krisen zu erhalten (Quelle).

3. Investitionen und Prioritäten setzen:

Lindner weist darauf hin, dass die Schuldenbremse nicht bedeutet, dass keine Investitionen getätigt werden können. Vielmehr erfordert sie eine Priorisierung von Ausgaben. Er hebt hervor, dass die Investitionsquote im Bundeshaushalt trotz der Schuldenbremse gestiegen ist, von 10% im Jahr 2019 auf 12% im Jahr 2024 (Quelle).

4. Keine Vernachlässigung der Infrastruktur:

Er widerspricht dem Argument, dass die Schuldenbremse zu einer Vernachlässigung der Infrastruktur führe. Deutschland habe trotz Einhaltung der Schuldenbremse erhebliche Investitionen in die Infrastruktur getätigt, wie beispielsweise in den Bundeshaushalten der letzten Jahre zu sehen ist (Quelle).

5. Wirtschaftliche Zeitenwende:

Lindner betont, dass die sicherheits- und energiepolitische Zeitenwende auch eine ökonomische Zeitenwende erfordert. Eine Politik der permanenten Umverteilung und des Staatskonsums sei nicht finanzierbar und nicht nachhaltig. Die Schuldenbremse ist ein notwendiges Instrument, um wirtschaftliche Stabilität und solide Staatsfinanzen zu gewährleisten (Quelle).

Schuldenbremse:
Vernünftig oder fatal?

Marode Schulen, eine stockende Energiewende und eine kaputtgesparte Bahn - Deutschland steht vor enormen Herausforderungen. Trotz des dringenden Bedarfs an Investitionen beharrt Finanzminister Christian Lindner auf der Schuldenbremse.

Marius Mestermann diskutiert sachlich und nüchtern mit SPIEGEL-Redakteur Christian Reiermann über die drängenden Fragen unserer Infrastruktur und die wirtschaftlichen Konsequenzen.

Wissenswertes zur Schuldenbremse und drumrum

Wie hoch die Gesamtverschuldung ist und woher die Schulden kommen

Der Bund der Steuerzahler Deutschland e. V. berichtet über die steigende Staatsverschuldung, die Ende 2023 knapp 2.500 Milliarden Euro erreichte, hauptsächlich bedingt durch die Pandemie, versäumte Strukturreformen und mangelnde Sparanstrengungen. Trotz der Schuldenbremse und der Notoptionen, die während der Corona-Pandemie genutzt wurden, plädiert der Verband für eine Reduktion der Staatsausgaben und eine strikte Einhaltung der Schuldenbremse zur Sicherstellung solider Staatsfinanzen und Generationengerechtigkeit. Weitere Details auf der Webseite des Bundes der Steuerzahler.

Soll die Schuldenbremse gelockert werden?

Im November 2023 erklärte das Bundesverfassungsgericht den Klima- und Transformationsfonds für verfassungswidrig, wodurch der Bundesregierung etwa 60 Milliarden Euro in ihren Planungen fehlten. Daher wird nun eine Aussetzung der Schuldenbremse diskutiert. Eine Umfrage im Juni 2024 ergab, dass 40 Prozent der Befragten eine Lockerung der Schuldenbremse befürworten, während etwa 56 Prozent deren Einhaltung unterstützen.

Die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland

Im Jahr 2023 stieg Deutschlands nominales BIP auf etwa 4,12 Billionen Euro, was hauptsächlich auf Inflation zurückzuführen ist. Preisbereinigt rutschte die Wirtschaft jedoch in eine Rezession, mit einem Rückgang des realen BIP um 0,2 Prozent. Nach der erhofften Erholung post-Corona-Krise wurde die Wirtschaft durch den Ukraine-Krieg, steigende Energiepreise und Rekordinflation belastet. Für 2024 wird nur ein Wachstum von 0,3 Prozent erwartet, was auf Stagnation hindeutet. Die Prognosen für 2025 wurden ebenfalls nach unten korrigiert.

Seit 1991 hat sich das BIP kontinuierlich erhöht, von 1,586 Billionen Euro auf 4,12 Billionen Euro im Jahr 2023.

Zu den wichtigen Meilensteinen gehören:

  • 2000: 2,173 Billionen Euro, ein deutlicher Anstieg durch die wirtschaftliche Entwicklung in den 90er Jahren.
  • 2010: 2,564 Billionen Euro, ein Wachstum trotz der globalen Finanzkrise.
  • 2020: 3,404 Billionen Euro, vor den pandemiebedingten Einbrüchen.
  • 2022: 3,877 Billionen Euro, mit nominalem Wachstum trotz wirtschaftlicher Herausforderungen.

Diese Zahlen verdeutlichen die langfristige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands trotz kurzzeitiger wirtschaftlicher Schwierigkeiten.

Steuereinnahmen in Deutschland bis 2023

Im Jahr 2023 betrugen die gesamten Steuereinnahmen in Deutschland rund 915,8 Milliarden Euro, was einen weiteren Anstieg im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Im Jahr 2020 gingen die Einnahmen erstmals seit 2009 aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise und der Lockdowns zurück. Steuern sind Zwangsabgaben, die der Staat von Bürgern und Unternehmen erhebt, und stellen die größte sowie wichtigste Einnahmequelle der öffentlichen Kassen in Deutschland dar.

Die Entwicklung der Steuereinnahmen laut dem statistischen Bundesamt:

  • 2010: 530,6 Milliarden Euro
  • 2011: 573,4 Milliarden Euro
  • 2012: 600 Milliarden Euro
  • 2013: 619,7 Milliarden Euro
  • 2014: 643,6 Milliarden Euro
  • 2015: 673,3 Milliarden Euro
  • 2016: 705,8 Milliarden Euro
  • 2017: 734,5 Milliarden Euro
  • 2018: 776,3 Milliarden Euro
  • 2019: 799,3 Milliarden Euro
  • 2020: 739,7 Milliarden Euro
  • 2021: 833,2 Milliarden Euro
  • 2022: 895,7 Milliarden Euro
  • 2023: 915,8 Milliarden Euro

FAQ zu Begriffen rund um die Schuldenbremse

FAQ zur Schuldenbremse

FAQ - Schuldenbremse

Was bedeutet strukturelles Defizit?

Ein strukturelles Defizit ist das Haushaltsdefizit eines Staates, bereinigt um konjunkturelle Einflüsse und einmalige Sondereffekte. Es zeigt die langfristige finanzielle Schieflage, die auf strukturellen Ungleichgewichten zwischen Einnahmen und Ausgaben basiert. Im Kontext der Schuldenbremse bedeutet dies, dass die Regierung ihre Ausgaben so planen muss, dass das strukturelle Defizit möglichst gering bleibt, um nachhaltige Staatsfinanzen zu gewährleisten.

Zuletzt aktualisiert am 13.07.2024 von Manuel von Heugel.

Was ist eine Rezession?

Eine Rezession ist eine Phase wirtschaftlichen Abschwungs, die durch einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) über mindestens zwei aufeinanderfolgende Quartale gekennzeichnet ist. Während einer Rezession sinken Produktion, Investitionen und Konsum, was zu höheren Arbeitslosenzahlen und geringeren Einkommen führt.

Zuletzt aktualisiert am 13.07.2024 von Manuel von Heugel.

Was regelt der Maastricht-Vertrag?

Der Maastricht-Vertrag, der 1992 in Kraft trat, legt die Grundlagen für die Europäische Union und die Einführung des Euro fest. Er enthält die sogenannten Maastricht-Kriterien, die Haushaltsdisziplin in den EU-Mitgliedstaaten sicherstellen sollen. Diese Kriterien umfassen unter anderem eine maximale Neuverschuldung von 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und eine Gesamtverschuldung von höchstens 60 % des BIP. Diese Regelungen sind auch für die Einhaltung der Schuldenbremse relevant.

Zuletzt aktualisiert am 13.07.2024 von Manuel von Heugel.

Was bedeutet BIP?

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein Maß für die wirtschaftliche Leistung eines Landes. Es gibt den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen an, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums, meist eines Jahres, in einem Land hergestellt wurden. Das BIP wird oft verwendet, um das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand eines Landes zu messen. Im Zusammenhang mit der Schuldenbremse ist das BIP wichtig, weil es die Grundlage für die Berechnung der zulässigen Neuverschuldung bildet.

Zuletzt aktualisiert am 13.07.2024 von Manuel von Heugel.

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Manuel von Heugel

Manuel ist zusammen mit Sina Gastgeber des Podcasts “Politik aufs Ohr”. Seit August 2023 setzt er sich aktiv bei den Grünen in Friesland ein und wurde im März 2024 zum Ortssprecher der Grünen in Varel ernannt. Mit über 11 Jahren Erfahrung leitet er die Online Marketing Agentur WEBMARKETIERE, die sich auf die Erstellung und Vermarktung von Webseiten spezialisiert hat. In seiner Freizeit widmet sich Manuel leidenschaftlich dem Gärtnern und der Holzbearbeitung.

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