von Manuel von Heugel
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Jens Spahn – Macht, Masken, Skandale?

„Politik macht die Gesetze – das Verfassungsgericht prüft sie nur.“ Mit diesem Satz bringt Jens Spahn ein Staatsverständnis auf den Punkt, das aktuell viele Menschen aufhorchen lässt. Spätestens seit der gescheiterten Richterwahl und dem Sudhof-Bericht zur Maskenbeschaffung steht Spahn wieder im Mittelpunkt der politischen Debatte – nicht als Minister, sondern als Strippenzieher im Hintergrund.

Im Podcast haben wir uns angesehen, wie Jens Spahn über Jahre Macht aufgebaut hat – und wie er sie heute nutzt. Wir sprechen über den Sudhof-Bericht, der tiefe Einblicke in seine Zeit als Gesundheitsminister gibt, über die politische Aufarbeitung der Maskenaffäre und über seine Rolle bei der Auswahl der Verfassungsrichter:innen.

Dieser Beitrag fasst die zentralen Punkte der Folge zusammen und ergänzt sie um präzise Daten, Abläufe und Einordnungen. Wer ist Jens Spahn – und wo will er politisch noch hin? Eine Analyse über Einfluss, Verantwortung und die Frage, was Macht eigentlich mit Verantwortung zu tun hat.

mit der rechten Hand. Im Vordergrund ein grüner Pinselstrich mit dem Text: 'Jens Spahn – Macht, Masken, Skandale?'

Jens Spahn – Machtmensch mit Widersprüchen

Jens Georg Spahn, geboren am 16. Mai 1980 in Ahaus (NRW), ist ein deutscher CDU-Politiker und seit dem Jahr 2002 ununterbrochen Mitglied des Deutschen Bundestages. Mit gerade einmal 22 Jahren zog er über die Landesliste der CDU Nordrhein-Westfalen ins Parlament ein – als einer der jüngsten Abgeordneten überhaupt. Spahn gilt als Teil des wirtschaftsliberalen Flügels der Union und machte sich früh in der Finanz- und Gesundheitspolitik einen Namen. Unter Kanzlerin Angela Merkel wurde er 2018 zum Bundesgesundheitsminister ernannt – eine Funktion, in der er während der Corona-Pandemie stark im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stand.

Als Minister profilierte er sich mit schnellen Entscheidungen – etwa bei der Beschaffung von Masken und Schnelltests –, wurde jedoch später wegen Intransparenz und überstürzter Vergaben deutlich kritisiert. Auch sein autoritärer Führungsstil im Ministerium war intern wie extern umstritten. Parallel dazu veröffentlichte Spahn 2022 das Buch „Wir werden einander viel verzeihen müssen“, in dem er die Krisenzeit aus seiner Sicht einordnet und seine politischen Entscheidungen verteidigt.

Privat lebt Spahn offen homosexuell mit seinem Ehemann, dem Journalisten Daniel Funke (Burda Verlag), in Berlin-Dahlem. Diese Ehe macht ihn innerhalb der CDU zu einer Symbolfigur eines moderneren Konservatismus. Zugleich ist Spahn fest eingebunden in wirtschaftsnahe und politische Netzwerke. So ist er beispielsweise Mitglied der Atlantik-Brücke, tritt bei Veranstaltungen von Young Global Leaders auf und bewegt sich regelmäßig im Umfeld der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).

2021 geriet er in die Schlagzeilen, als mehrere private Immobilienkäufe bekannt wurden – darunter auch ein Mehrfamilienhaus in Berlin. Kritiker warfen ihm vor, seine politische Stellung und Nähe zu wirtschaftlichen Entscheidungsträgern zu seinem Vorteil zu nutzen. Spahn selbst bestritt jede Unregelmäßigkeit, räumte aber die Sensibilität der Thematik ein.

Seit Mai 2025 ist Jens Spahn Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bei der Wahl zum Fraktionsvorsitz erhielt er 91,3 % der Stimmen – ein deutliches Signal seiner Rückendeckung innerhalb der Partei.

Trotz Rückschlägen wird Jens Spahn innerhalb der CDU-Basis weiterhin als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt. Seine Mischung aus wirtschaftlicher Strenge, konservativer Grundhaltung und moderner Lebensführung macht ihn für Teile der Partei attraktiv – für andere bleibt er eine umstrittene Figur mit Machtinstinkt und politischen Ecken.

Biografische Eckdaten

  • Geboren: 16. Mai 1980 in Ahaus, Nordrhein-Westfalen
  • Beruf: Bankkaufmann, später Studium der Politikwissenschaften (B.A. & M.A.)
  • Partei: CDU (Mitglied seit 1997, Junge Union seit 1995)
  • Abgeordneter: Seit 2002 durchgängig Mitglied des Bundestags
  • Ministeramt: Bundesgesundheitsminister von 2018 bis 2021
  • Aktuelle Funktion: Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (Wirtschaft, Energie, Klima)
  • Privates: Verheiratet mit Daniel Funke, lebt in Berlin

Politische Schwerpunkte & Kontroversen

  • Setzte sich früh für die Digitalisierung des Gesundheitswesens ein
  • Befürwortete Masken- und Schnelltestoffensive während Corona – später kritisiert wegen Intransparenz
  • Verfasste 2022 das Buch „Wir werden einander viel verzeihen müssen“ zur Corona-Krise
  • Wurde 2021 mit privaten Immobilienkäufen öffentlich kritisiert
  • Spielte 2023 eine Schlüsselrolle bei der Wahl einer Verfassungsrichterin – intransparenter Auswahlprozess
  • Vertritt wirtschaftsliberale, teils konservative Positionen (z. B. zu Migration, Sozialstaat)

Der Sudhof-Bericht

Ein ungewöhnlicher Auftrag: Warum der Bericht entstand

Der sogenannte Sudhof-Bericht wurde im Sommer 2024 durch den damaligen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Auftrag gegeben. Ziel war es, eine unabhängige juristische Bewertung der zivilrechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der Maskenbeschaffung während der Corona-Pandemie zu erstellen. Mit dem Bericht wurde Dr. Margaretha Sudhof beauftragt, die von zwei Mitarbeiterinnen aus dem Verteidigungsministerium unterstützt wurde. Der Bericht wurde dem Ministerium im November 2024 übergeben, jedoch zunächst nur geschwärzt weitergegeben.

Massive Überbeschaffung und fehlende Planung

Die Bundesregierung beschaffte im Pandemiejahr 2020 rund 5,8 Milliarden Schutzmasken. Laut Bericht lag der tatsächliche Bedarf deutlich darunter. Grundlage der Planung war ein sogenanntes „Basisszenario“, das auf einem angenommenen Jahresbedarf von 4,7 Milliarden Masken beruhte. Eine nachvollziehbare Bedarfsberechnung war jedoch nicht dokumentiert. Sudhof kritisiert, dass das Verhältnis zwischen Bedarf und Beschaffung nicht transparent und teilweise widersprüchlich dargestellt wurde.

Fragwürdige Vergabepraxis unter Spahn

Ein zentrales Verfahren war das sogenannte Open-House-Verfahren, bei dem Anbieter Masken zu einem fixierten Preis – damals 4,50 € pro FFP2-Maske – verkaufen konnten. Der Bericht legt dar, dass die Festlegung dieses Preises nicht auf belastbaren Marktanalysen basierte. Fachabteilungen wurden in den Entscheidungsprozess nicht eingebunden. Zudem wurden parallel auch Direktvergaben durchgeführt – zum Teil an Unternehmen, die dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) unaufgefordert Lieferkonzepte vorgelegt hatten.

Lückenhafte Akten, fehlende Kontrolle

Ein wiederkehrender Kritikpunkt im Bericht ist die unzureichende Dokumentation innerhalb des Ministeriums. Wichtige Vertragsdetails, Entscheidungswege und Zuständigkeiten seien nicht nachvollziehbar festgehalten worden. In mehreren Fällen sei nicht erkennbar, wer bestimmte Anweisungen gegeben oder Verträge genehmigt habe. Der Bericht fordert, dass künftig eine vollständige Aktenführung sowie klare Entscheidungsstrukturen sichergestellt werden müssen.

Was der Bericht nicht enthält – und warum das wichtig ist

Dr. Sudhof hat in ihrer Analyse keine Interviews mit den damaligen politischen Verantwortungsträgern geführt – Jens Spahn wurde nicht befragt. Der Bericht ist kein gerichtsfestes Gutachten und enthält keine strafrechtliche Bewertung. Dennoch hebt er strukturelle Mängel hervor, die politische und verwaltungsinterne Relevanz besitzen. Das Ministerium betont, dass es sich die Schlussfolgerungen des Berichts nicht zu eigen macht.

Reaktionen aus Politik und Ministerium

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, es nehme die Ergebnisse zur Kenntnis, teile jedoch wesentliche Bewertungen nicht. Unter anderem widersprach das Ministerium der Annahme, das Technische Hilfswerk (THW) hätte geeignetere Strukturen für die Maskenlogistik bieten können. Der Bericht wurde dem Haushaltsausschuss des Bundestags zunächst nicht vollständig zugänglich gemacht. In der Folge wurden Forderungen nach einer vollständigen Veröffentlichung und politischen Konsequenzen laut.

Ein Bericht mit Sprengkraft – aber ohne Abschluss

Der Sudhof-Bericht offenbart erhebliche Defizite in der pandemiebedingten Beschaffungspolitik, benennt aber keine Verantwortlichen namentlich. Er macht deutlich, dass weder Preisfindung noch Vertragsvergabe transparent verliefen. Auch wenn es sich nicht um ein gerichtsfestes Urteil handelt, liefert der Bericht wichtige Impulse für eine künftige Aufarbeitung. Die Einrichtung einer eigenen Auswertungseinheit im Ministerium ist ein erster Schritt, eine parlamentarische Aufarbeitung könnte folgen.

Sudhof-Bericht kompakt

  • Zeitraum der Maskenbeschaffung: Hauptsächlich im Frühjahr und Sommer 2020, Beginn mit Erlass vom 6. März 2020.
  • Gesamtmenge: Beschafft wurden rund 5,8 Milliarden Schutzmasken (MNS, KN95, FFP2).
  • Preisgestaltung: Der Fixpreis im Open-House-Verfahren betrug 4,50 € pro FFP2-Maske.
  • Marktpreis laut Zollamt (GZD): Durchschnittlich 6,02 € – das BMG setzte dennoch 4,50 € fest.
  • Verfahren: Nutzung mehrerer Beschaffungswege: Open-House-Verfahren, Direktvergaben, Verhandlungen ohne Ausschreibung.
  • Finanzvolumen: Laut Sudhof-Bericht belief sich das Volumen der eingegangenen Verpflichtungen auf etwa 6,4 Milliarden Euro (Stand: Ende 2020).
  • Relevante Firmen: Nicht namentlich aufgelistet im Bericht, aber Einzelvergaben an Firmen mit Konzepten ohne Verfahren.
  • Vertragsmängel: Häufig keine klaren Regelungen zu Rückabwicklungen, Zahlungszielen oder Gewährleistungen.
  • Dokumentation: Viele Entscheidungen sind nicht nachvollziehbar dokumentiert, z. B. wer Verträge freigegeben oder Preise festgelegt hat.
  • Lagerprobleme: Zentrale Lagerstelle Köln überfordert; Bericht sieht THW als bessere Option – BMG widerspricht.
  • Haftungsrisiken: Bestehen weiterhin, z. B. durch Klagen oder Rückforderungen.
  • Sudhofs Empfehlung: Einrichtung einer eigenständigen Einheit zur zivilrechtlichen Aufarbeitung im BMG.

Gescheiterte Verfassungsrichter:innen-Wahl im Juli 2025

Chronologischer Ablauf

7. Juli 2025 – Vorschläge für neue Richter:innen

Der Bundestagswahlausschuss schlägt drei Kandidat:innen vor:

  • Frauke Brosius-Gersdorf (SPD) – Staats- und Verfassungsrechtlerin, bekannt für liberale Haltungen, insbesondere beim Thema Schwangerschaftsabbruch.
  • Ann-Katrin Kaufhold (SPD) – Professorin für Staatsorganisationsrecht, gilt als juristisch solide, aber weniger öffentlich präsent.
  • Günter Spinner (CDU/CSU) – Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, ohne größere Kontroversen.

8.–10. Juli 2025 – Innerparteilicher Widerstand

Innerhalb der CDU/CSU regt sich Widerstand gegen Brosius-Gersdorf. Besonders aus Reihen der CSU kommt Kritik an ihren liberalen Positionen. Innenminister Dobrindt bringt ins Spiel, eine Mehrheit ohne die SPD zu suchen – notfalls mit anderen Fraktionen.

11. Juli 2025 – Wahl kurzfristig abgesagt

Am Tag der geplanten Abstimmung wird die Wahl überraschend kurzfristig verschoben. Die Union befürchtet, keine Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen. Dies führt zu einem koalitionsinternen Eklat.

12.–14. Juli 2025 – Spahns Reaktion & Kritik

Jens Spahn, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, räumt in einem Brief Mitverantwortung ein. Er wolle künftig als „verlässlicher Stabilitätsanker“ wirken. Zugleich erhält er demonstrative Rückendeckung von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).

Die SPD hält an ihrer Kandidatin Brosius-Gersdorf fest und fordert neue Gespräche zur Lösung des Konflikts.

Mitte Juli 2025 – Koalition sucht Ausweg

Die Ampelkoalition prüft eine Sondersitzung im August. Parallel finden Gespräche im Kanzleramt statt. Es wird betont, dass die Integrität des Bundesverfassungsgerichts nicht beschädigt werden dürfe.

Expertenmeinungen & Bewertung

  • Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof spricht von einer „Panne“, betont aber, das Gericht bleibe unabhängig.
  • Politikwissenschaftler:innen warnen vor einer zunehmenden Politisierung der Richterwahl.

Kurzporträts der Nominierten

Frauke Brosius-Gersdorf (SPD)

Verfassungsrechtlerin, Professorin in Hannover, öffentlich wahrgenommen durch liberale Positionen zu Grundrechten und Abtreibung. Ihre Nominierung wird innerhalb der Union kritisch gesehen.

Ann-Katrin Kaufhold (SPD)

Staatsrechtlerin an der Universität München, Spezialistin für Staatsorganisationsrecht. Ihre Nominierung ist fachlich unstrittig, aber medial wenig präsent.

Günter Spinner (CDU/CSU)

Ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, gilt als erfahrener Praktiker. Keine bekannten Kontroversen.

Fazit & Ausblick

Die geplante Wahl von drei Verfassungsrichter:innen wurde verschoben. Eine neue Abstimmung könnte im August 2025 erfolgen. Die Koalition steht unter Druck, einen tragfähigen Kompromiss zu finden, der sowohl verfassungskonform ist als auch das Gericht nicht politisch beschädigt.

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Manuel von Heugel

Manuel – Grüner Kopf mit Unternehmergeist. Seit über 20 Jahren im Online-Marketing zu Hause, bringt er seine Erfahrung als Unternehmer in politische Debatten ein. Als Mitglied der Grünen interessiert ihn, wie Politik konkret wirkt – jenseits von Parteisprech und Schlagzeilen. Im Podcast „Politik aufs Ohr“ schaut er genau hin, stellt unbequeme Fragen und denkt Politik aus der Perspektive von Praxis, Wirkung und Alltag.

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