Mit göttlichem Beistand - Konklave, Kirche, Papstwahl: wie politisch darf es sein?
Die christlichen Werte klingen simpel und schön: Liebe, Barmherzigkeit, Demut. Doch wer sich das System anschaut, in dem diese Werte institutionalisiert sind – die katholische Kirche – stößt schnell auf einen Widerspruch: kein demokratisches Wahlsystem, kein transparenter Haushalt, keine Rechenschaftspflicht. Dafür jahrhundertealte Machtstrukturen, ein globaler Einflussapparat – und ein milliardenschweres Vermögen.
Mit dem Tod von Papst Franziskus am Ostermontag 2025 rückt dieses Spannungsfeld wieder in den Fokus. Wer folgt ihm nach? Wie funktioniert ein Konklave im 21. Jahrhundert? Und: Wie viel weltliche Macht steckt eigentlich in der „geistlichen“ Weltkirche?
In unserer Podcast-Folge sprechen wir genau über diesen Zwiespalt: Zwischen gelebtem Glauben und institutionalisierter Macht, zwischen spirituellen Idealen und realpolitischer Struktur. Wir fragen: Wie autoritär ist die Kirche – und wie viel Demokratie braucht Glaube heute?

Papst Franziskus: Werdegang, Wandel und das Erbe einer gespaltenen Kirche
Jorge Mario Bergoglio (17. Dezember 1936 in Buenos Aires, Argentinien; † 21. April 2025 in der Vatikanstadt), später bekannt als Papst Franziskus, war ein Papst der Kontraste: spirituell bescheiden, politisch wirksam, theologisch offen – und gleichzeitig eingebettet in ein starres, autoritäres System. Sein Pontifikat war von dem Versuch geprägt, die Kirche menschlicher, gerechter und globaler zu machen – doch nicht alle Reformen gingen so tief, wie es sich viele erhofft hatten. Der folgende Überblick zeigt seinen Lebensweg, seine Amtsführung und das vielschichtige Erbe, das er hinterlässt.
Biografischer Werdegang
Von der Vorstadt in Buenos Aires bis auf den Stuhl Petri: Der Weg von Jorge Mario Bergoglio war geprägt von theologischer Tiefe, politischer Klugheit und überraschenden Wendungen. Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Stationen.
Jahr | Station | Beschreibung |
---|---|---|
1936 | Geburt | Jorge Mario Bergoglio wird am 17. Dezember in Buenos Aires, Argentinien, geboren. |
1958 | Eintritt in den Jesuitenorden | Beginn der Ausbildung zum Priester im Orden der Gesellschaft Jesu, bekannt für Bildung und soziale Verantwortung. |
1969 | Priesterweihe | Weihe durch den damaligen Erzbischof von Buenos Aires. |
1973–1979 | Provinzial der Jesuiten | Leitung des Ordens in Argentinien während der Militärdiktatur – später Gegenstand historischer Debatten. |
1992 | Weihbischof von Buenos Aires | Beginn seiner kirchlichen Führungsaufgaben. |
1998 | Erzbischof von Buenos Aires | Übernahme des größten Bistums Argentiniens nach dem Tod von Kardinal Quarracino. |
2001 | Kardinalserhebung | Ernennung durch Papst Johannes Paul II. – Bergoglio wird Teil des Konklave-Kollegiums. |
2013 | Wahl zum Papst | Erster Jesuit, erster Lateinamerikaner und erster Papst mit dem Namen Franziskus. |
Stil & Kommunikation
Papst Franziskus hat nicht nur inhaltlich Akzente gesetzt, sondern vor allem durch seinen Stil beeindruckt: bescheiden, zugewandt, menschlich. Sein Umgang mit Menschen war oft ein Kontrapunkt zur Institution, die er leitete.
- Bescheidenheit im Auftreten: Verzicht auf Prunk, einfache Kleidung, lebt im Gästehaus statt im Apostolischen Palast.
- Sprachliche Nahbarkeit: Nutzt Alltagssprache, meidet komplizierte Dogmatik, spricht in Bildern.
- Volksnähe: Fußwaschungen, spontane Begegnungen mit Armen, direkte Ansprache der Gläubigen weltweit.
Reformversuche im Pontifikat
Franziskus versuchte, die Kirche zu öffnen und ihre Strukturen transparenter zu gestalten. Doch seine Reformen stießen auf Widerstände – und oft blieb es bei symbolischen Schritten.
Bereich | Reformansatz | Ergebnis |
---|---|---|
Kurie | Umstrukturierung durch "Praedicate Evangelium" | Mehr Effizienz, weniger Machtkonzentration in Rom, stärkere Rolle der Ortskirchen. |
Finanzen | Transparenz-Initiative | Teilweise Offenlegung, aber weiterhin Skandale und Intransparenz. |
Synodalität | Weltweite Synoden, Beteiligung von Laien | Neuer Stil des Dialogs – konkrete Machtverlagerung aber unklar. |
Umweltschutz | Enzyklika "Laudato si’" | Starke moralische Positionierung in globalen Debatten. |
Sexualmoral | Gesprächsbereitschaft gegenüber LGBT-Personen | Keine dogmatischen Änderungen, aber neue Tonlage. |
Missbrauchsaufarbeitung | Opfergespräche, neue Richtlinien | Verbesserungen, aber Kritik an mangelnder Konsequenz bleibt. |
Kritik & Fürsprache
Kaum ein Papst der Moderne war so umstritten wie Franziskus. Während ihn viele als moralische Instanz und Hoffnungsträger feierten, warfen ihm andere Beliebigkeit oder mangelnde Klarheit vor.
Pro-Positionen | Kritikpunkte |
---|---|
„Papst der Armen“ – beliebt in Lateinamerika und Afrika | „Verunsicherer“ – vage Theologie, irritierende Äußerungen |
Verzicht auf Prunk und dogmatische Strenge | Keine tiefgreifende Reform kirchlicher Machtstrukturen |
Ökologische Vorreiterrolle in der Klimapolitik | Schwache Aufarbeitung des Missbrauchsskandals |
Dialogorientierung, interreligiöse Offenheit | Keine echte Mitsprache für Laien oder Frauen |
Ein Blick nach vorn
Franziskus hat mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Was von ihm bleibt, ist ein Stilwandel – nicht ein Systemwandel. Doch über 80 % der künftigen Papstwähler hat er selbst ernannt. Der nächste Papst wird entscheiden müssen: Fortsetzung des synodalen Kurses – oder Rückkehr zur römischen Ordnung?
Zwischen Aufbruch und Unsicherheit: Die grüne Neuausrichtung im Spiegel der Kritik
Der Länderrat markiert den offiziellen Start in die Oppositionsrolle – und mit ihm beginnt auch die Debatte darüber, ob die Neuausrichtung der Grünen auf einem tragfähigen Fundament steht. Während viele die Entwicklungen als Chance sehen, werden intern wie extern auch kritische Stimmen laut. Ein paar Gedanken dazu – differenziert und mit Blick auf beide Seiten.
Was für den Kurs spricht:
Klarer Neuanfang
Der Rückzug der bisherigen Parteispitze schafft Raum für personelle und strategische Erneuerung. Das bietet die Chance, alte Muster zu hinterfragen, neue Perspektiven einzubinden und das Vertrauen enttäuschter Wähler:innen zurückzugewinnen.
Fokus auf Kernthemen
Die Rückbesinnung auf zentrale Anliegen – Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, demokratische Werte – stärkt das grüne Profil und könnte helfen, wieder schärfer konturiert aufzutreten. Besonders in Zeiten zunehmender Polarisierung braucht es eine verlässliche Stimme für ökologische und soziale Fragen.
Stärkung der innerparteilichen Demokratie
Die offene Diskussion über Fehler und Zukunftsstrategien zeigt: Die Partei ist bereit, sich selbstkritisch mit ihrer Rolle auseinanderzusetzen. Dass dabei nicht alles sofort rund läuft, ist Teil eines demokratischen Reifeprozesses – und ein Zeichen politischer Lernfähigkeit.
Was kritisch gesehen wird:
Unklare Führungsstruktur
Der gleichzeitige Rückzug beider Vorsitzenden sorgt für eine gewisse Orientierungslosigkeit. Wer übernimmt jetzt Verantwortung? Wer führt durch diese Phase? Bis eine neue Führungsfigur sichtbar wird, entsteht ein Vakuum, das strategisch schwierig sein kann.
Mangelnde Tiefe in der Aufarbeitung
Obwohl einige Schwächen benannt wurden, bleibt vieles vage. Wichtige Themen wie der Umgang mit der Migrationspolitik, die Kommunikation in Krisenzeiten oder das Verhältnis zu den Koalitionspartnern wurden nur am Rand thematisiert. Viele fragen sich, ob die Partei den Mut hat, auch unbequeme Fragen zuzulassen.
Gefahr innerparteilicher Reibung
Mit dem Übergang in die Opposition treten bestehende Spannungen stärker hervor: Zwischen Realos und Fundis, zwischen Bewegungspartei und Regierungsverantwortung, zwischen Anspruch und Kompromiss. Die Herausforderung wird sein, diese Unterschiede nicht nur zu moderieren, sondern produktiv zu nutzen – ohne dabei die Geschlossenheit zu verlieren.
Das Konklave: Geschichte, Ablauf und Kritik
Das Konklave ist eines der geheimnisvollsten und symbolträchtigsten Rituale der katholischen Kirche – und gleichzeitig eines der politischsten. Seit Jahrhunderten wird hier unter größter Abschottung der neue Papst gewählt: das geistliche Oberhaupt von rund 1,4 Milliarden Gläubigen weltweit. Was nach frommer Zeremonie aussieht, ist in Wahrheit ein komplexer Prozess aus spiritueller Ernsthaftigkeit, institutioneller Machtkalkulation und traditioneller Inszenierung.
Die Ursprünge des Konklaves reichen bis ins Mittelalter zurück, als lange Wahlkämpfe und weltliche Einflussnahme die Handlungsfähigkeit der Kirche bedrohten. Das Ziel: Schnelle, freie Entscheidungen ohne äußeren Druck. Heute folgen Ablauf und Regeln einer jahrhundertealten Ordnung – von der Einschließung der Kardinäle über die Rauchsignale bis zur weltweiten Verkündigung "Habemus Papam".
Doch trotz aller sakralen Symbolik bleibt das Konklave nicht frei von Kritik: Der fehlende Einfluss der Gläubigen, die Selbstreferenz bei der Ernennung der Wähler, die Intransparenz des Wahlprozesses – all das wirft Fragen auf. Wie viel Geistlichkeit steckt noch im Konklave – und wie viel weltliche Machtpolitik?
Ein Blick auf die Geschichte, den Ablauf und die Kritik am Konklave zeigt: Dieses Ritual offenbart ebenso viel über die katholische Kirche wie über ihre inneren Spannungen zwischen Tradition und Reform.
Historie
Die Geschichte des Konklaves ist geprägt von Entwicklungen, die auf die Notwendigkeit reagierten, die Papstwahl effizienter und unabhängiger von weltlichen Einflüssen zu gestalten:
- Frühe Praxis: Ursprünglich wurden Päpste durch den Klerus und das Volk Roms gewählt, oft unter massivem Einfluss weltlicher Herrscher.
- 1059 – Papstwahldekret von Nikolaus II.: Begrenzte das aktive Wahlrecht auf die Kardinäle, insbesondere die Kardinalbischöfe.
- 1274 – Zweites Konzil von Lyon: Papst Gregor X. führt das Konklave als verpflichtendes Verfahren ein, um Wahlblockaden zu verhindern.
- 1621/22 – Reform durch Gregor XV.: Einführung des geheimen Stimmzettels und einheitlicher Wahlverfahren, wie sie im Wesentlichen bis heute gelten.
Die Einführung des Konklaves sollte lange Sedisvakanzen beenden und sicherstellen, dass die Papstwahl primär aus kirchlicher und nicht aus politischer Motivation erfolgt.
Ablauf
Der Ablauf des Konklaves folgt einem präzisen und jahrhundertealten Protokoll, das sowohl spirituelle Symbolik als auch organisatorische Strenge vereint:
- Beginn: 15 bis 20 Tage nach Eintritt der Sedisvakanz reisen die wahlberechtigten Kardinäle nach Rom.
- Unterbringung: Die Kardinäle wohnen in der Domus Sanctae Marthae und sind während des gesamten Konklaves strikt von der Außenwelt abgeschottet.
- Wahlgänge:
- Am ersten Tag ein Wahlgang am Nachmittag.
- Ab dem zweiten Tag: zwei Wahlgänge am Vormittag und zwei am Nachmittag.
- Nach drei erfolglosen Tagen: ein Tag Gebet und Besinnung ohne Wahl.
- Stimmabgabe: Jeder Kardinal schreibt auf einen Stimmzettel den Namen seines Kandidaten, versehen mit der Formel „Eligo in Summum Pontificem“ („Ich wähle zum höchsten Brückenbauer“).
- Mehrheit: Eine Zweidrittelmehrheit ist erforderlich, um einen Papst zu wählen.
- Rauchsignale:
- Schwarzer Rauch: Kein Papst gewählt.
- Weißer Rauch: Ein neuer Papst ist gewählt und hat die Wahl angenommen.
- Verkündung: Der Kardinalprotodiakon tritt auf den Balkon des Petersdoms und ruft „Habemus Papam“. Der neue Papst zeigt sich anschließend der Weltöffentlichkeit und erteilt den Segen „Urbi et Orbi“.
Kritik
Trotz seiner rituellen Bedeutung und spirituellen Ernsthaftigkeit ist das Konklave heute auch Gegenstand intensiver Kritik:
- Intransparenz: Der Prozess findet vollständig abgeschirmt von der Öffentlichkeit statt. Kritiker fordern mehr Transparenz bei der Auswahl des Papstes.
- Selbstreferenz: Da Kardinäle vom Papst ernannt werden und wiederum den Papst wählen, entsteht ein geschlossener Kreislauf ohne externe demokratische Kontrolle.
- Fehlende Repräsentation: Die katholischen Gläubigen – etwa 1,4 Milliarden weltweit – haben keinen direkten Einfluss auf die Wahl ihres geistlichen Oberhaupts.
- Informelle Einflussnahme: Inoffizielle Gruppierungen (sogenannte „Lobbygruppen“) unter den Kardinälen können das Wahlergebnis beeinflussen, was die Unabhängigkeit des Prozesses infrage stellt.
Diese Kritikpunkte haben wiederholt Forderungen nach einer Reform des Konklaves ausgelöst. Doch bislang verteidigt der Vatikan die Tradition als Ausdruck der besonderen spirituellen Dimension der Papstwahl.