Merz’ 5-Punkte-Plan - Ein Wahlkampfmanöver auf Kosten der Demokratie?
In der politischen Debatte in dieser Woche sorgte Friedrich Merz mit seinem 5-Punkte-Plan zur Migrationspolitik für heftige Reaktionen – nicht nur im Bundestag, sondern auch weit darüber hinaus. Während Befürworter von einem notwendigen Schritt zur Stärkung der inneren Sicherheit sprechen, sehen Kritiker darin ein gefährliches Spiel mit demokratischen Grundwerten.
In unserem aktuellen Podcast haben wir diskutiert, was hinter diesem Plan steckt, warum die Debatte über Migration in Deutschland immer wieder emotional aufgeladen ist und wie politische Verantwortung in solchen Momenten aussehen sollte. Dieser Beitrag vertieft die Diskussion, liefert Hintergründe zur Bundestagsabstimmung und ordnet ein: Ist der Plan ein pragmatischer Ansatz oder doch ein kalkuliertes Wahlkampfmanöver?

Fünf-Punkte-Plan von Friedrich Merz zur Migrationspolitik
CDU-Parteichef Friedrich Merz hat einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt, um die Migrationspolitik in Deutschland zu verschärfen. Er sieht dringenden Handlungsbedarf, da die aktuellen europäischen Asylregelungen aus seiner Sicht nicht mehr funktionieren. Der Plan umfasst strengere Grenzkontrollen, eine Ausweitung der Abschiebehaft und eine stärkere Rolle des Bundes bei Rückführungen. Ziel ist es, illegale Einreisen konsequenter zu verhindern und bestehende Ausreisepflichten durchzusetzen.
Im Folgenden werden die fünf zentralen Forderungen des Plans zusammengefasst:
1. Dauerhafte Grenzkontrollen & Zurückweisungen
- Illegale Einreisen sollen ausnahmslos verhindert werden.
- Keine Einreise ohne gültige Dokumente, auch für Schutzsuchende.
- Nationales Recht soll Vorrang vor EU-Regeln haben.
2. Bundespolizei erhält Befugnis für Haftbefehle
- Bundespolizei soll Haftbefehle für ausreisepflichtige Personen beantragen können.
- Entsprechender Antrag wird im Bundestag eingebracht.
3. Mehr Plätze für Ausreisegewahrsam
- Aktuell 42.000 Ausreisepflichtige, aber nur 750 Gewahrsamsplätze.
- Bund soll eigene Liegenschaften für Abschiebehaft bereitstellen.
4. Bund soll Länder bei Abschiebungen unterstützen
- Abschiebungen sollen nicht mehr allein Ländersache sein.
- Tägliche Rückführungen gefordert, um die Zahl der Einreisen zu übertreffen.
5. Unbefristeter Ausreisearrest für Gefährder & Straftäter
- Ausreisepflichtige Täter sollen bis zur Abschiebung oder freiwilligen Ausreise in Gewahrsam bleiben.
- CDU fordert härteres Durchgreifen bei Gefährdern.
Knappe Entscheidung im Bundestag: Der 5-Punkte-Plan der Union spaltet das Parlament
Am 29. Januar 2025 stimmte der Bundestag über den von der CDU/CSU eingebrachten 5-Punkte-Plan zur Verschärfung der Migrationspolitik ab. Der Antrag wurde mit einer knappen Mehrheit von 348 Ja-Stimmen zu 344 Nein-Stimmen angenommen – ein Ergebnis, das die politischen Spannungen im Parlament deutlich widerspiegelt.
Bemerkenswert ist, dass die Zustimmung maßgeblich durch die Stimmen von CDU/CSU, FDP und AfD zustande kam, während SPD, Grüne und Linke geschlossen dagegen votierten. Diese ungewöhnliche Allianz führte zu intensiven Diskussionen über die Grenzen der Zusammenarbeit mit der AfD im Bundestag und wirft Fragen zur politischen Verantwortung der beteiligten Fraktionen auf.
Kritiker:innen befürchten, dass der Plan nicht nur migrationspolitisch, sondern auch demokratietheoretisch ein gefährliches Signal sendet. Befürworter hingegen betonen, es gehe um die Stärkung der inneren Sicherheit und die Handlungsfähigkeit des Staates.
Die folgende Grafik veranschaulicht das Abstimmungsergebnis im Detail und zeigt die Sitzverteilung sowie das Abstimmungsverhalten der einzelnen Fraktionen.
Die Dublin-Verordnung – Grundlagen, Probleme und Reformbestrebungen
Die Dublin-Verordnung ist das zentrale Regelwerk zur Bestimmung desjenigen EU-Staates, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. Sie wurde 1990 als Dublin-Abkommen eingeführt und seitdem mehrfach reformiert. Die derzeit gültige Dublin-III-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 604/2013) trat 2013 in Kraft und zielt darauf ab, Asylverfahren innerhalb der EU zu koordinieren und Mehrfachanträge zu verhindern. In der Praxis stößt sie jedoch auf erhebliche Herausforderungen, die die politische Debatte in der EU prägen.
Kernprinzipien der Dublin-III-Verordnung
1. Erstaufnahmeland-Prinzip
Der Mitgliedstaat, in dem ein Asylsuchender zuerst registriert oder eingereist ist, ist in der Regel für das Asylverfahren zuständig. Diese Regelung soll verhindern, dass Asylsuchende sich ihren bevorzugten Aufenthaltsstaat aussuchen können (sogenanntes “Asyl-Shopping”).
- Problem: Dies führt zu einer überproportionalen Belastung der EU-Außengrenzstaaten wie Italien, Griechenland oder Spanien, die einen Großteil der Asylsuchenden aufnehmen müssen.
2. Eurodac-System
Alle Asylbewerber werden in der Eurodac-Datenbank erfasst, in der ihre Fingerabdrücke gespeichert werden. Damit kann überprüft werden, ob ein Antragsteller bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurde.
- Problem: Datenschutzrechtliche und ethische Bedenken, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit sensiblen Daten.
3. Ausnahmen und Sonderregelungen
- Familienzusammenführung: Falls enge Familienangehörige bereits in einem anderen Mitgliedstaat leben, kann eine Überstellung dorthin erfolgen.
- Humanitäre Klausel: Staaten können sich freiwillig zur Bearbeitung eines Asylantrags entscheiden, selbst wenn sie laut Dublin-Verordnung nicht zuständig wären.
- Unbegleitete Minderjährige: Hier gilt das Kindeswohlprinzip, sodass der Staat, in dem Verwandte leben, zuständig ist.
- Problem: In der Praxis gibt es oft bürokratische Hürden und lange Wartezeiten, die diese Ausnahmen schwer durchsetzbar machen.
4. Rücküberstellungen in den zuständigen Staat
Wird ein Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat aufgegriffen, kann er in das zuständige Erstaufnahmeland zurückgeschickt werden.
- Problem: In vielen Fällen scheitern Rücküberstellungen aus administrativen, rechtlichen oder logistischen Gründen. Einige Gerichte haben Rückführungen in Länder wie Griechenland oder Ungarn ausgesetzt, da dort menschenrechtswidrige Bedingungen herrschen.
Kritik an der Dublin-Verordnung
- Ungerechte Lastenverteilung: Außengrenzstaaten tragen die Hauptverantwortung, während nördliche EU-Staaten wie Deutschland oder Schweden oft erst durch Sekundärmigration betroffen sind.
- Praktische Umsetzung scheitert häufig: Viele Asylsuchende reisen weiter, ohne sich im Erstaufnahmeland registrieren zu lassen. Rückführungen werden oft nicht durchgesetzt.
- Mangelnde europäische Solidarität: Einige EU-Staaten, vor allem in Osteuropa, weigern sich, sich an Umverteilungsmechanismen zu beteiligen, was das System zusätzlich belastet.
Reformversuche und das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS)
Angesichts dieser Probleme wurde über Jahre eine Reform der Dublin-Verordnung diskutiert. Im Dezember 2023 einigten sich die EU-Staaten auf das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das 2024/2025 in Kraft treten soll. Es sieht unter anderem vor:
- Eine gerechtere Verteilung von Asylsuchenden zwischen den Mitgliedstaaten.
- Schnellere Grenzverfahren für Menschen mit geringen Erfolgsaussichten auf Asyl.
- Strengere Kontrollen und Registrierungspflichten für Ersteinreisende.
Ob diese Reformen die strukturellen Probleme der bisherigen Dublin-Verordnung lösen oder lediglich bestehende Herausforderungen verlagern, wird sich erst in der praktischen Umsetzung zeigen.
Fazit
Die Dublin-III-Verordnung ist ein zentraler Baustein des europäischen Asylsystems, weist aber erhebliche Schwächen auf, die eine gerechte und effektive Verteilung von Asylsuchenden verhindern. Die angestrebten Reformen könnten das System stabilisieren, doch bleibt abzuwarten, ob sie eine langfristige Lösung für die tiefgreifenden politischen und praktischen Probleme des europäischen Asylrechts bieten.
Das Schengen-Abkommen – Grundlagen, Bedeutung und Herausforderungen
Das Schengen-Abkommen ist eine der wichtigsten Errungenschaften der europäischen Integration und ermöglicht die Reisefreiheit innerhalb Europas. Es wurde 1985 im luxemburgischen Ort Schengen von fünf Staaten unterzeichnet und bildet heute die rechtliche Grundlage für den Schengen-Raum, in dem keine systematischen Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten stattfinden.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das Abkommen weiterentwickelt und wurde in den EU-Vertrag von Amsterdam (1997) integriert, wodurch es zu einem zentralen Bestandteil des europäischen Rechts wurde. Heute umfasst der Schengen-Raum 27 Länder, darunter fast alle EU-Staaten sowie einige Nicht-EU-Mitglieder. Trotz seines Erfolgs steht das Abkommen aufgrund von Migrationsbewegungen, Sicherheitsfragen und geopolitischen Spannungen immer wieder zur Debatte.
Was regelt das Schengen-Abkommen?
1. Reisefreiheit innerhalb des Schengen-Raums
Bürger:innen der Mitgliedstaaten können sich ohne systematische Pass- oder Grenzkontrollen zwischen den Schengen-Ländern bewegen. Lediglich Stichprobenkontrollen sind erlaubt, wenn es sicherheitsrelevant erscheint.
2. Gemeinsame Außengrenzenkontrollen
Da die Binnengrenzkontrollen wegfallen, sind die Außengrenzen der Schengen-Staaten besonders geschützt. Dazu gehören:
- Strengere Kontrollen von Einreisenden aus Drittstaaten
- Gemeinsame Visa-Vergabe für Schengen-Besucher
- Zusammenarbeit im Kampf gegen illegale Migration und organisierte Kriminalität
3. Schengen-Visum
Personen aus Drittstaaten können mit einem einheitlichen Visum für bis zu 90 Tage innerhalb von 180 Tagen in den gesamten Schengen-Raum reisen.
4. Schengen-Informationssystem (SIS)
Eine zentrale Datenbank für Sicherheits- und Migrationsinformationen, in der:
- Gesuchte oder vermisste Personen
- Gestohlene Fahrzeuge und Dokumente
- Hinweise auf mögliche Sicherheitsrisiken
5. Temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen
In Ausnahmesituationen wie Terroranschlägen, Pandemien oder Migrationskrisen können Mitgliedstaaten vorübergehend Grenzkontrollen wieder einführen.
Beispiele:
- Deutschland, Österreich und Frankreich haben seit 2015 immer wieder Grenzkontrollen aufgrund der Flüchtlingskrise und terroristischer Bedrohungen eingeführt.
- Während der COVID-19-Pandemie wurden zeitweise fast alle Schengen-Grenzen geschlossen.
Welche Länder gehören zum Schengen-Raum?
Aktuell umfasst der Schengen-Raum 27 Länder:
EU-Staaten:
- Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Spanien, Portugal
- Österreich, Italien, Griechenland, Dänemark, Finnland, Schweden
- Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Slowenien, Malta
- Kroatien (seit 2023), Bulgarien und Rumänien (seit 2025 vollständig integriert)
Nicht-EU-Staaten:
- Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein
Nicht-Mitglieder innerhalb der EU:
- Irland: Hat sich gegen eine Teilnahme entschieden (Opt-out).
- Zypern: Ist vertraglich zum Beitritt verpflichtet, aber aufgrund des ungelösten Zypernkonflikts noch nicht vollständig integriert.
Kritik und Herausforderungen
1. Ungleichmäßige Umsetzung der Außengrenzkontrollen
Staaten mit langen Außengrenzen (z. B. Griechenland, Italien, Spanien) stehen unter hohem Druck. Länder ohne direkte Außengrenzen profitieren von Schengen, ohne große Verantwortung für Grenzschutz zu tragen.
2. Migrations- und Sicherheitsprobleme
Die Flüchtlingskrise von 2015 zeigte, dass das Schengen-System bei großen Migrationsbewegungen an seine Grenzen stößt.
Die offene Reisefreiheit wurde von Terroristen (z. B. Paris 2015, Brüssel 2016) ausgenutzt, was Forderungen nach schärferen Sicherheitskontrollen verstärkte.
3. Wiedereinführung von Grenzkontrollen als Dauerzustand?
Einige Länder (z. B. Deutschland, Frankreich, Österreich) haben Grenzkontrollen länger als ursprünglich vorgesehen beibehalten. Kritiker sehen dies als schleichende Aushöhlung des Schengen-Abkommens.
Fazit
Das Schengen-Abkommen ist ein Meilenstein für die europäische Integration und hat den freien Personenverkehr in Europa erheblich erleichtert. Gleichzeitig zeigen Migrations- und Sicherheitskrisen, dass das System reformbedürftig ist. Die Balance zwischen Sicherheit und Reisefreiheit bleibt eine der zentralen politischen Herausforderungen für die EU.
Michael Kyrath, Vater von Ann-Marie, berichtet über seine Erfahrungen mit der Politik
Michael Kyrath, der Vater der bei der Messerattacke in Brokstedt 2023 getöteten Ann-Marie, war im Januar 2025 bei Markus Lanz zu Gast. Er schilderte emotional, aber sachlich, wie es ist, seine Tochter durch ein solches Attentat zu verlieren, und kritisierte die politische Nachsicht gegenüber mehrfach straffälligen Migranten. Der Täter, ein staatenloser Palästinenser, wurde 2024 wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.